Cultural Models - Julia Vaeßen
Julia Vaeßen, "Cultural Models and the Construction of Literary Character: Toward a Cognitive and Cultural Theory of Reception"
Betreuer: Sven Strasen, Abschluss: 2018
Die Konstruktion literarischer Charaktere ist ein zentrales Thema der Literaturwissenschaft und eines derjenigen zentralen Themen, die zu den umstrittensten in der Narratologie gehören. Nach der Dominanz strukturalistischer und poststrukturalistischer Positionen im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts hatten sich mit den Arbeiten Culpepers und Schneiders rund um den Jahrtausendwechsel zwei dominante Modelle herausgebildet, die seither die einschlägige Diskussion dominieren.
Gleichzeitig haben sich aber zahlreiche Einzelstudien mit Fragen der Sympathielenkung, Emotionserzeugung, Experientialität und vielen anderen beschäftigt, die auch für die Konstruktion literarischer Charaktere relevant sind, ohne dass die dort gewonnenen Erkenntnisse in ein neues, überarbeitetes Konzept der Charakterkonstruktion eingeflossen wären. Darüber hinaus werden die Modelle Schneiders und Culpepers auch deswegen angegriffen, weil sie auf kognitionstheoretische Prämissen zurückgreifen, die neuerdings mit dem Label „1. Generation“ versehen werden. Diese „1. Generation,“ so die Kritiker, die sich – wenig überraschend – als Neuerer einer „2. Generation“ gerieren, konzeptualisiere Kognition zu abstrakt und nehme die Körpergebundenheit kognitiver Prozesse nicht hinreichend zur Kenntnis. Kurzum: der von Schneider und Culpeper gestiftete Konsens in Fragen der Charakter-Konstruktion ist dabei, sich aufzulösen. Dies ist die Forschungslage, auf die die vorliegende Dissertation reagiert: Sie setzt sich dabei drei erfrischend unbescheidene Ziele, die sie sämtlich erreicht.
1. Integration der vereinzelt vorliegenden Erkenntnisse zu Einzelaspekten der Charakterkonstruktion in ein allgemeines Modell.
2. Vorbereitung empirischer Arbeiten zum Thema, um die spekulativen Diskussionen auf diesem Feld zu überwinden.
3. Überwindung des nur scheinbaren Gegensatzes zwischen der ersten und zweiten Generation der Kognitiven Literaturwissenschaft.